Netzwerktreffen „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“

Das Netztemplinwerk „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“, dem zahlreiche Bürgerinitiativen, andere Gruppen und Einzelpersonen angehören, die sich gegen industrielle Tierfabriken einsetzen, lud am 28. Juni zu einem Netzwerk-Treffen im brandenburgischen Templin ein. Ich habe als Aktivistin von Tierfabriken-Widerstand daran teilgenommen und viele Eindrücke mitgenommen, die ich hier darstellen möchte.

In der Vorstellungsrunde zeigte sich die Diversität des Netzwerks: Die Mehrzahl der ca. 40 Anwesenden bildeten VertreterInnen von Bürgerinitiativen (BIs), dazu kamen VertreterInnen von Organisationen wie dem BUND, der Kampagne „Meine Landwirtschaft“, „Brot für die Welt“ oder den Grünen, eine Handvoll gegenwärtige oder angehende TierhalterInnen, ein Fernsehjournalist und ein paar interessierte Einzelmenschen.

Im ersten Diskussionsblock ging es um die Fragen, mit welchen Problemen sich BIs konfrontiert sehen, mit wem sie zusammenarbeiten und welche gesetzlichen Änderungen sie am dringensten wünschen. Im Gespräch wurden dann allerdings auch verschiedene andere Themen angesprochen. Ich führe im Folgenden einige Punkte auf, die ich besonders interessant insbesondere für unsere Arbeit fand (es handelt sich keineswegs um ein Protokoll der Diskussion):

  • Es gibt auch sehr aktive BIs gegen Hühnermastanlagen für „nur“ 40.000 Hühner – der Eindruck, dass vor allem gegen noch viel größere Anlagen örtlicher Protest besteht, ist also falsch
  • Auch wenn eine Anlage schon genehmigt ist, kann durch verschiedene u.a. rechtliche Mittel die Inbetriebnahme bis zu mehrere Jahre verzögert werden. Das kann sogar auf eine Verhinderung der Anlage hinauslaufen, weil diese häufig kreditfinanziert und auf einen bestimmten Starttermin geplant sind, so dass sie sich bei späterer Inbetriebnahme teilweise nicht mehr rechnen.
  • Ein Hauptproblem der BI-Arbeit besteht in der schwierigen Finanzierung: Die rechtlichen Schritte kosten schnell mehrere Tausend bis hin zu Zehntausenden von Euro. Um Augenhöhe mit den InvestorInnen herzustellen, wurde gefordert, eine Finanzierung von BIs z.B. durch die InvestorInnen gesetzlich vorzuschreiben.
  • Ein BI-Vertreter berichtete davon, dass er einen Unternehmerverband gegründet habe, dem mittlerweile über 30 Unternehmen angehörten, die sich auch gegen eine geplante Tieranlage aussprechen und dies wirtschaftlich begründen: Agrarindustrie schaffe letztlich keine Arbeitsplätze und bringe eine Region nicht voran, sondern ruiniere im Gegenteil den ländlichen Raum auch in wirtschaftlicher Hinsicht. (http://www.milaninfo.de/)
  • Die Genehmigungsbehörden sind typischerweise nicht rein durch die Gesetze und die Faktenlage gezwungen, die Entscheidung für oder gegen eine Anlage zu treffen, sondern haben einen Ermessensspielraum. Sie unterliegen außerdem teilweise massivem politischen Druck und genehmigen deshalb Anlagen, die sie rechtlich gesehen auch ablehnen könnten.
  • Mehrere BIs äußerten, dass sie sich mehr Unterstützung beim Vorgehen gegen geplante Anlagen wünschen. Wir werden mit einzelnen davon bald in Kontakt treten.

Nach dem (veganen!) Mittagessen ging es weiter mit einem Vortrag von Rechtsanwalt Peter Kremer, der ein Spezialist in den Rechtsgebieten ist, die für die Genehmigungsverfahren für Tieranlagen einschlägig sind, und oft mit Bürgerinitiativen und dem BUND zusammenarbeitet, um Genehmigungen zu verhindern bzw. später dagegen zu klagen. In seinem Vortrag berichtete er von neueren Entwicklungen in der Gesetzeslage. Interessant dabei waren u.a. folgende Punkte (die ich hoffentlich richtig wiedergebe):

  • Zur Zeit gibt es bei Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung einen festen Einwendungszeitraum (bis zu sechs Wochen nach Beginn der Auslage); was in diesem Zeitraum nicht geltend gemacht wurde, kann später nicht mehr angeführt werden. Diese Begrenzung wird wahrscheinlich bald fallen, so dass man zeitlich unbegrenzt Einwendungen schreiben kann und mit neuen Gründen klagen kann – und das würde dann auch rückwirkend gelten, zumindest für alle Verfahren, die noch nicht mit einer Genehmigung oder Ablehnung abgeschlossen sind.
  • Das Tierschutzverbandsklagerecht, das schon in einigen Bundesländern eingeführt und in anderen geplant ist, ist für den Kampf gegen neue Tieranlagen relevant, da dann auch wegen Nichteinhaltung des Tierschutzgesetzes gegen eine Genehmigung geklagt werden könnte. (Im Moment können nur die Naturschutzverbände nur wegen Naturschutz- und Umweltschutzbelangen klagen.) Interessant wird hierbei sein, ob in den Gerichtsentscheidungen die Nutztierhaltungsverordnungen herangezogen werden, die die Platzvorschriften, Lichtbedingungen etc. konkret spezifizieren, oder ob man mit dem Vorwurf durchkommen könnte, dass die Haltungsbedingungen zwar den Verordnungen entsprechen, nicht aber den Hauptvorschriften des Tierschutzgesetzes, die z.B. besagen, dass man „die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken [darf], dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden“.
  • Bei vereinfachten Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung gibt es keinen Einwendungszeitraum, damit aber auch keine Frist für vorzubringende Bedenken: Theoretisch kann man gegen die Genehmigung aller Anlagen, die ohne ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung genehmigt wurden, noch klagen – mit genügend Geld und Kapazitäten könnte man flächendeckend solche Anlagen einer Prüfung unterziehen bzw. gegen sie rechtlich vorgehen, auch wenn sie längst schon in Betrieb sind!

Im logo-bauernhofdritten Teil der Veranstaltung wurde über die Definition von „Massentierhaltung“ bzw. „industrieller Tierhaltung“ und „Agrarindustrie“ diskutiert – da sich das Netzwerk genau gegen diese Phänomene positioniert und häufig Anfragen nach der Bedeutung dieser Begriffe bekommt, besteht der Bedarf einer gemeinsamen Klärung. Es wurde deutlich, dass vor allem zwei verschiedene Positionen im Netzwerk vertreten sind:

  1. Die Definition der Begriffe über die tatsächlich in einem Betrieb bestehenden Bedingungen bezüglich Grad der Automatisierung und Intensivierung, Tierwohl und Umweltschutz: auch ein Betrieb in bäuerlicher Hand, d.h. z.B. ein Familienbetrieb, ist abzulehnen, wenn die Tiere „nicht artgerecht“ gehalten werden und nicht auf Umweltschutz geachtet wird. Gefordert wird dann also „artgerechte“ Haltung und Einhaltung höherer Umweltstandards.
  2. Die Definition der Begriffe anhand der Frage, ob sie sich in „bäuerlicher“ Hand oder in der Hand von großen Agrarkonzernen befinden: Ein kleiner Familienbetrieb ist dann keine Agrarindustrie. Das Argument für diese Sichtweise besteht darin zu sagen, dass zwar „artgerechte“ Haltung und höhere Umweltstandards gewünscht sind, dass es aber strategisch zunächst um Strukturen gehen muss: Ein bäuerlicher Betrieb, der zur Zeit in Punkto „Artgerechtheit“ und Umweltschutz problematisch ist, könne das wieder ändern, wohingegen die Betriebe in Hand der Agrarindustrie per se „nicht artgerecht“ und nicht umweltschonend arbeiten könnten. Wenn man die selbstständigen Bauern durch Ablehnung seitens des Netzwerkes ausschließen würde, ginge eine wichtige Unterstützung im Kampf gegen den Hauptfeind, die industriellen Konzerne, verloren.

Es wurde zwischen diesen beiden Positionen keine Einigkeit hergestellt.

Interessant fand ich auch die zwischendurch diskutierte Frage, welche positive Vision das Netzwerk hat: Abschaffung der Nutztierhaltung und biovegane Landwirtschaft ist da freilich keine Option. Aber wie manche TeilnehmerInnen die ideale Nutztierhaltung beschreiben, ist sie meines Erachtens zumindest unter Bedingungen des Kapitalismus nicht möglich – daher müssten diese Leute konsequenterweise die Abschaffung fordern. Wenn z.B. gesagt wird, Tiere sollten nicht bloße Waren sein oder nicht auf möglichst hohe Leistung optimiert werden, sondern auch „nutzlos“ sein dürfen, dann wird dabei verkannt, dass es in einem kommerziellen Betrieb immer darum geht, mit Tieren Profit zu erwirtschaften – ein Tier wird nur dann „nutzlos“ z.B. länger als die ökonomisch günstigste Zeit am Leben bleiben dürfen, wenn sich diese Verlängerung selbst wieder ökonomisch rechnet – wenn man für die entsprechenden Produkte dann also z.B. mehr Geld verlangen kann.

Ich brachte selbst auch in die Diskussion ein, dass das Netzwerk nicht nur im Blick haben sollte, LandwirtInnen nicht zu verprellen, sondern auch eine Zusammenarbeit mit Tierrechts- und TierbefreiungsaktivistInnen nützlich wäre – die würde man aber insbesondere mit einem zu unkritischen Gebrauch von Begriffen wie „artgerecht“ von einer solchen Zusammenarbeit abschrecken.

Insgesamt war der Tag für mich sehr lehrreich; er war motivierend – weil er zeigte, wie viele Menschen sich mit welchem Engagement und einigem Erfolg gegen Tierfabriken wehren – und zugleich auch frustrierend, weil wenig Verständnis für das Leiden der Tiere in „Öko-“ und kleinbäuerlicher Haltung und wenig Sensibilität für die grundsätzliche Problematik der Tierhaltung spürbar war. Für die Arbeit von Tierfabriken-Widerstand ist eine Vernetzung und Zusammenarbeit mit den Bürgerinitiativen und den einschlägigen Verbänden trotz dessen essentiell für den Erfolg – und es scheint mir auch wichtig, unsere Position gerade auch in diesen Kreisen einzubringen und zu hoffen, dass sie dort an Gewicht gewinnt.

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