Die Odega findet die Odega gut

Faktencheck zur Odega-Infoveranstaltung über die geplante Hühnermast in Golzow, Brandenburg

Am 14.1.2017 erschien in der Märkischen Onlinezeitung (MOZ) ein Artikel über die Infoveranstaltung der Odega GmbH zwei Tage zuvor. Die Odega GmbH informierte in dieser Veranstaltung über ihre Pläne eine Hühnermast für über 70.000 Tiere in Golzow in Betrieb zu nehmen. Zumindest manche im Artikel übernommenen Aussagen des Geschäftsführers der Odega, Detlef Brauer, und dessen anwesendem Personal scheinen einseitig, wenn nicht sogar irreführend.

PETA Deutschland e.V.
FairMast Hühnermast in Holland, Quelle: Peta

Dieser Beitrag soll den Fakten etwas mehr Raum geben. Die Replik mag etwas verspätet erscheinen, bleibt jedoch aktuell, insbesondere da die Odega gleichzeitig in drei sehr nah beieinanderliegenden Städten in Brandenburg – Sachsendorf, Golzow und Reitwein – Mastanlagen plant, sie überall mit ähnlich fragwürdiger Ehrlichkeit auftritt und sich in allen genannten Orten berechtigter Widerstand regt.

Im Folgenden wird auf verschiedene Zitate aus dem Artikel eingegangen, eine vorherige Lektüre mag also lohnen, macht aber keinen Spaß. Alle verwendeten Zitate stammen aus dem am 12.1.2017 in der Märkischen Onlinezeitung erschienen Artikel „Neue Perspektive statt Verfall“.

„Golzows Bürgermeister Frank Schütz hatte die Initiative zu der Informationsveranstaltung ergriffen, als bekannt wurde, dass die Odega-Gruppe in seiner Gemeinde eine in Deutschland völlig neuartige Tierhaltung realisieren will.“

Plukon FairMast Hühnermast in Holland.
FairMast Hühnermast in Holland, Quelle: Peta

Neu ist, dass die geplanten Ställe in Sachsendorf und Golzow die ersten Hühnermastanlagen mit dem „Fairmast (oder auch Tierschutz-Kontrolliert) Label von Vier-Pfoten wären. Nicht neu ist der Versuch eines großen Fleischproduzenten, sich durch minimale Haltungsverbesserungen einen Marktvorteil verschaffen zu wollen. Auch der Deutsche Tierschutzbund vergibt ein eigenes Label „Für Mehr Tierschutz“. Mit diesem Label arbeitet Wiesenhof bzw. arbeiten Wiesenhof beliefernde Mästereien bereits einige Jahre. Beide Label unterscheiden sich kaum voneinander, wie auch die Richtlinien der sogenannten tiergerechten Haltung gemäß der Verbraucherzentrale in Thüringen „teilweise nur geringfügig über denen der konventionellen Haltung“ liegen. Auch gibt es schon länger Richtlinien für Bio-Geflügelhaltung, welche sich vergleichsweise deutlich von der erwähnten völlig neuartigen Tierhaltung abheben.

Die für die Fairmast vorgesehene Hühnerrasse Hubbard JA 757 ist übrigens auch die deutsche ‚Standardbiohuhnrasse‘ (Hervorhebung vom Autor):

Hubbard JA 757 ist eine der am häufigsten eingesetzten Herkünfte in der ökologischen Hühnermast in Deutschland. Hubbard 757 schnitt bei den Mast- bzw. Schlachtleistungen am zweitbesten ab […], jedoch auch in mehreren Parametern der Tiergerechtheit am zweitschlechtesten (z.B. Lauffähigkeit, Zustand Fußballen, Fersenhöcker). Daher stellen die Wissenschaftler in Frage, ob diese Herkunft für den Ökolandbau ein akzeptabler Kompromiss sein kann oder die Wachstumsintensität nicht schon zu hoch ist.“[1]

„Patrick Gerlach vom Planungsbüro SFI stellte die Belastung aus der jahrzehntelangen Milchproduktion der aus der geplanten Fairmast gegenüber.“

Ausstallung einer Plukon FairMast Hühnermast in Holland.
Ausstallung FairMast Hühner in Holland, Quelle: Peta

Das Planungsbüro SFI schreibt auf seiner Homepage: „Wichtigste Kriterien unserer Arbeit sind die Unabhängigkeit“ und „die sachliche Richtigkeit der Untersuchungsergebnisse“. Das SFI erstellt Genehmigungsanträge nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, z.B. für Mastanlagen, und erarbeitet die Umweltverträglichkeitsstudie und Umweltgutachten gleich mit. Alles im Auftrag und bezahlt von der Odega. Interessenskonflikte sind hier nicht auszuschließen.

Herr Gerlach wird in diesem langen Absatz beinahe schon leidenschaftlich ausführlich zitiert. Kurz zusammengefasst: Fairmast ist viel umweltverträglicher als die bisherige Milchproduktion am selben Standort.[2] Wie schön. Bei der Menge an Informationen vergisst man fast eins: es gibt noch eine dritte Variante. Was wäre Ihnen lieber, viel Umweltverschmutzung oder noch viel mehr Umweltverschmutzung? Gar keine Umweltverschmutzung! Bereits seit Sommer letzten Jahres steht die Anlage in Golzow still. Es fällt kein Mist an. Kein Ammoniak. Kein Feinstaub. Machs besser, Fairmast.

Zu dem Argument, die Hühnermast sei besser als die vorher auch schon akzeptierte Rinderhaltung äußern sich Menschen aus Golzow in persönlichen Gesprächen so: Klar waren wir früher auch gegen die Rinderhaltung, aber die Anlage wurde zu DDR-Zeiten gebaut, wenn man da was dagegen gesagt hat ist man doch gleich in den Knast gekommen.

„Ob jemand Tierschützer ist, weil er in Berlin drei Hunde und zwei Katzen hält […]“?

Ein Argument dass uns immer wieder begegnet. Warum mischen sich (junge) Menschen aus Berlin in ländliche Angelegenheiten ein? Hierzu lässt sich einiges sagen, aber im Bezug zum Artikel nur zwei Anmerkungen: Zweimal wird von ‚den Berlinern‘ gesprochen, im oben erwähnten Zitat und gleich zu Beginn des Textes: „Anders als in Sachsendorf, wo eine Berliner Tierschutzorganisation es übernommen hatte, die Bürger zu informieren und das Ganze auch gleich zu kommentieren, […]“.

Vielleicht war der Ton so rau, vielleicht war aber auch der Autor voreingenommen?

Was im Text vergessen wird: Erlend Beltman vom Plukon-Konzern stammt aus den Niederlanden. Patrick Gerlach vom Planungsbüro SFI lebt in Berlin. Immerhin wird ihnen vertraut.

„Drei bis vier Arbeitsplätze schafft die Fairmast-Anlage in Golzow, erklärte Detlef Brauer auf Nachfrage.“

Ausstallung einer Plukon FairMast Hühnermast in Holland.
Ausstallung FairMast Hühner in Holland, Quelle: Peta

Herr Brauer hat sogar Schwierigkeiten mit kleinen Zahlen. Die Odega beantragte bereits in Sachsendorf öffentlich eine nahezu baugleiche Anlage mit 1040 Tierplätzen mehr. Ein etwas längeres Zitat aus dem Antrag:

Die Betreuung der Tiere wird täglich durch die Beschäftigten der Anlage in der Zeit von 7:00 bis 12:30 Uhr (Regelfall), einschließlich an Sonn- und Feiertagen, sowie abends für 0,5 bis 0,75 Stunden zur Kontrolle der Fütterung etc. erfolgen. Für die Betreuung der Tiere der Hähnchenmastanlage Sachsendorf wird zukünftig 1 Arbeitskraft beschäftigt. Bei der Ein- und Ausstallung werden temporär weitere 2 Arbeitskräfte benötigt. Die Anlage wird ganzjährig ohne Stillstandszeiten in Betrieb sein. — Formular 6, Anlagensicherheit, S. 2)

Eine Arbeitskraft. Sechs Arbeitsstunden am Tag (Regelfall). Macht zwei Halbtagsstellen?

5,5 Durchläufe hat so eine Anlage im Jahr. Jeweils die halbe Tierzahl wird dabei gewechselt. Macht insgesamt 22 Ein- und Ausstallungen im Jahr. Temporär bedeutet also an 22 Tagen im Jahr. Zwei Arbeitskräfte. Zwei Teilzeitkräfte und zwei MinijobberInnen? Gut gerechnet Herr Brauer.

In diesen sechs Arbeitsstunden von der einen Arbeitskraft am Tag werden übrigens auch alle 72.350 Tiere regelmäßig auf Krankheiten und Verletzungen geprüft. Gründlichst.

„Zudem sei der Gesamtproduktionsprozess zu sehen. Sämtliche Arbeitsplätze im Zusammenhang mit den Fairmastanlagen bleiben in der Region: Denn geschlachtet werden die Tiere im nahen Storkow.“

Der Schlachthof in Storkow gehört zur Friki Storkow GmbH, welche wiederum zum oben erwähnten Plukon-Konzern gehört. Globalisierte Regionalität.

Zu den Arbeitsbedingungen in deutschen Schlachtfabriken wurde schon viel geschrieben. Zum Beispiel das:

In der deutschen Fleischindustrie werden osteuropäische Arbeiter mit Werkverträgen in großem Stil ausgebeutet. […] Mindestens 40.000 Werkvertragsarbeiter werden demnach in deutschen Schlachthöfen ausgebeutet, etwa 80 Prozent der Schlacht- und Zerlegearbeiten werden von den Osteuropäern erledigt. Das schätzt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten.

Oder auch dieses:

Laut Gewerkschaft arbeite immer noch rund die Hälfte der Beschäftigten der Schlacht- und Zerlegebetriebe als Werkarbeiter. [… Die Gewerkschaft kritisiert:]

  • überhöhte Mieten und Tricksereien bei der Arbeitszeit
  • Arbeiter müssen unerlaubterweise für ihr Arbeitsgerät zahlen
  • Betriebsräte sind oft nicht für Werkarbeiter zuständig
  • Versuche von Werkvertragsarbeitern, bei ihren Firmen Betriebsräte zu installieren, würden von den Unternehmern unterbunden

Die menschen- und tierunwürdigen Arbeitsplätze befinden sich und bleiben in der Region. Wieder behält der Geschäftsführer der Odega Recht.

Zum Abschluss noch ein schon etwas älterer, aber nicht veralteter Einblick aus dem SPIEGEL wie es fühlenden Lebewesen – Hühnern wie Menschen – in Storkow ergeht:

QS-geprüft – das ist auch der Friki-Schlachthof in Storkow. Nahe der polnischen Grenze werden dort in einem ehemaligen DDR-Kombinat 100 000 Hähnchen pro Tag geschlachtet. Geschäftsführer Bernhard Lammers produziert hier das wohl billigste Fleisch der Republik, seine Kunden sind Discounter im Osten. ‚Hier‘, ruft Lammers durch den Maschinenlärm, ‚ist die Anlieferung, da bekommen die Tiere eine Ruhepause. Die Hühner kauern in engen Plastikboxen, in acht Stockwerken übereinander. Sie werden aus der Box auf ein Tunnelfließband gekippt, in das CO2 geleitet wird.‘

Durch Gucklöcher ist zu sehen, dass viele Tiere auch danach noch zucken. Die Hühner werden dann mit der Hand auf den Haken gedrückt und fahren am Schnittmesser vorbei. Füße und Kopf werden abgetrennt, bevor die Tiere in den Brüter und dann in den Rupfer kommen. Erst kurz vor der Filetierung und Verpackung kommt hier der Staat ins Spiel.

Eine einzelne Fleischbeschauerin sitzt am Band, wo die nackten Hühner vorbeirattern. Mal schneidet sie einen blutunterlaufenen Flügel weg, mal nimmt sie ein ganzes Huhn ab, doch gegen das Tempo des Fließbands kommt sie nicht an: Wenn sie sich ein Tier vornimmt, rasen etliche andere unbesehen durch.

Nicht nur in Storkow kommt es vor, dass ganze Herden trotz vermeintlicher „Salmonellen-Null-Toleranz“ mit Keimen befallen sind. Das Salmonellenfleisch wird dann nicht entsorgt, nein, es darf weiterverarbeitet werden, etwa zu Wurst, Nuggets oder Cordon bleu.

[1]https://www.oekolandbau.de/erzeuger/tierhaltung/spezielle-tierhaltung/gefluegel/mastgefluegel/haltung/eignung-unterschiedlicher-masthaehnchen-herkuenfte-fuer-die-oekologische-haltung/

[2]Die Tierverträglichkeit spielt hier natürlich keine Rolle. Ist aber auch keine so schöne Zahl. 1000 ausgebeutete Rinder im Jahr gegen 400.000 tote Hühner.

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