„Sie haben kein Recht auf eine Antwort!“

Kundgebung zum Erörterungstermin in Königs-Wusterhausen
Eindruck von der Kundgebung

So reagierte der Wiesenhof-Anwalt Hentschke auf die empörte Frage einiger Anwohnerinnen, ob Wiesenhof bereits ohne Genehmigung eigenmächtig die Schlachtkapazität in Königs Wusterhausen erhöht habe. Auch weitere Fragen blieben unbeantwortet bei der Erörterung der Einwendungen gegen die Erweiterung der Wiesenhof-Schlachtanlage. Das Schweigen des Antragstellers verstärkte den Eindruck, dass vieles nicht mit rechten Dingen zugeht.

Vor Beginn des Erörterungstermins demonstrierten wir mit Mitstreiter*innen von KW Stinkts, Robin Wood und anderen Gruppen vor dem „Eventcenter“ in Königs-Wusterhausen. Drinnen sollte es in der Folge um die Erörterung von mehreren Hundert Einwendungsschreiben gehen, die gegen den Schlachthofausbau in Niederlehme bei der zuständigen Behörde eingegangen sind.

Auf der Erörterung berichten Anwohner*innen dann, dass Wiesenhof bereits in den letzten Jahren illegal neu baute, unter anderem eine große Halle für die Annahme, Beruhigung, Betäubung, das Aufhängen und Schlachten der Hühner. Die Bauanträge dafür wurden zwar gestellt, die Genehmigungen teilweise aber nicht abgewartet. Die Folge: ein Baustopp für die Schwarzbauten. Die Legalisierung erfolgte jedoch nachträglich. Wiesenhof beantragte auch bereits 2015 eine erhöhte Grundwasserentnahme, die von der Wasserbehörde genehmigt wurde. Warum Wiesenhof plötzlich doppelt so viel Wasser und eine neue Warte- und Betäubungshalle benötigte, wurde nicht überzeugend erklärt. Es blieb der Eindruck dass die Kapazitätserweiterung lange im Voraus geplant wurde und das jetzige Genehmigungsverfahren durch vorherige Baugenehmigungen und Wassergenehmigungen erleichtert werden sollte.

Geruchsbelästigungen, unter anderem durch die Abwässer und die riesige Wiesenhof-Hühnermast in unmittelbarer Nähe zum Schlachthof, Lärm und Keimbelastungen stufte der Konzern als irrelevant ein. Der üble Geruch der regelmäßig aus den Abwasserrohren besonders in Schlachthofnähe dringt habe natürlich nichts mit diesem zu tun, sondern nur mit altem Wasser in den Rohren.

Dass die Tiere, um die es hier eigentlich geht – Wiesenhof beantragt immerhin die Erhöhung der Schlachtkapazität von 120.000 auf 160.000 Hühner pro Tag und mehr Schlachttage im Jahr – nur eine untergeordnete Rolle spielen, machte schon die Tagesordnung deutlich. Als vorletzter, achter Punkt, direkt gefolgt von Sonstiges, wurden die tierschutzrelevanten Punkte erörtert. Bis dahin gingen über neun Stunden ins Land und viele Teilnehmer*innen hatten die Erörterung bereits verlassen. Trotzdem konnten wir vorher auf der Demonstration und zu Beginn der Erörterung Kritik am industriellen Umgang von Wiesenhof mit fühlenden Lebewesen äußern: Bei stagnierenden Konsumzahlen braucht niemand immer neue und immer größere Anlagen. Ausgenommen allenfalls die wenigen, die daran verdienen. Weitere Tieranlagen wären aber die zwingende Folge dieser Schlachthoferweiterung. Man kann nicht mehr schlachten ohne auch mehr zu mästen mit sämtlichen katastrophalen Folgen für die betroffenen Tiere natürlich, aber auch die anwohnenden Menschen, die Arbeiter*innen und ihre Umwelt.

Wiesenhofbank hinten rechts – in Unterzahl aber überbezahlt

Die ungleichen Machtverhältnisse von Wiesenhof und Anwohner*innen kamen ebenfalls häufiger zur Sprache. Wer hat schon die Zeit und das Wissen sich in die diskutierten Sachgebiete einzuarbeiten oder das Geld einen Anwalt zu bezahlen, um hier Wiesenhof und seinen hochbezahlten Expert*innen Paroli zu bieten. Die zugrundeliegenden Gesetze und Verordnungen sind eh vor allem unternehmerfreundlich. Der Versammlungsleiter versucht hier zwar die Anwesenden zu besänftigen: diese Erörterung ist IHR Termin, alle Einwendungen werden gleichberechtigt berücksichtigt, ganz gleich wie eloquent sie vorgebracht wurden. Dies ist aber naiv bis irreführend, zeigte sich doch immer wieder in vorherigen Antragsverfahren wie machtlos sich die Behörde bei der Ablehnung von großen Tieranlagen gibt und wie dann erst durch kostspielige Klagen bereits genehmigte Anlagen gestoppt werden konnten.

Als Erfolg bewerten wir aber, dass das gesamte Genehmigungsverfahren deutlich anders verläuft, als es sich der Konzern vorgestellt hat. Ursprünglich beantragte Wiesenhof den Ausschluss der Öffentlichkeit, einen vorzeitigen Beginn der Änderungen noch vor offizieller Genehmigung und es sollte keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Eine Frechheit, wenn man bedenkt, dass die Öffentlichkeit noch nie die Gelegenheit hatte, die Rechtmäßigkeit der DDR-Altanlage, sowie die durch sie verursachten Belastungen zu diskutieren. Durch unsere Einmischung mussten stattdessen die Antragsunterlagen bereits zweimal ausgelegt werden – das Verfahren wurde so um mehrere Monate in die Länge gezogen. Insgesamt wurden 301 Einwendungen gegen die Erweiterung eingereicht und eine Bürgerinitiative ist mit Unterstützung anderer Gruppen mit großem Elan dabei, die Wiesenhof-Pläne zu torpedieren.

Fraglich bleibt, wie gewissenhaft die Behörde agiert. Gerade die eingangs gestellte Frage, ob Wiesenhof bereits seit Monaten illegal mehr Tiere schlachtet als genehmigt, wäre leicht zu überprüfen. Ob dies geschieht, dazu hüllte man sich in Schweigen. Scheinbar hat die Öffentlichkeit kein Recht darauf zu erfahren, was hier eigentlich vor sich geht! Von Niemandem!

Nachtrag 6.4.2017:

Die Antwort auf eine mündliche Anfrage von Benjamin Raschke (B90/Grüne) bringt nun Gewissheit: Wiesenhof hat bereits eigenmächtig die Schlachtzahl in Königs Wusterhausen erhöht! Ohne die entsprechende Genehmigung abzuwarten.

Presse

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